Rechtsanwalt Dr. jur. Ingo E. Fromm, Rechtsberater in Koblenz
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Donnerstag, 18.04.2024

Sachbeschädigungen an stationären Messanlagen

Held oder Straftäter?



von
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Serientaten in Italien

In letzter Zeit berichteten mehrere Nachrichtensender über einen „Robin Hood der Geblitzten“. In einem Artikel der n-tv hieß es: „Italiener feiern >Fleximan<, den Rächer der Raser“.[1] Darin geht es darum, dass bislang Unbekannte in Italien reihenweise festinstallierten Blitzgeräte mit einer "Flexi"-Säge absägten und viele Italiener für die Taten Sympathien aufbrachten. Die Serie von Straftaten begann im Mai 2022 auf Landstraßen in der Region Venetien. Insgesamt wurden bis Februar 2024 bereits ca. 20 Blitzer-Anlagen inklusive Rotlichtmelder überall in Norditalien dem/den Unbekannten zugerechnet. In den Sozialen Medien wurde der „Fleximan“ zum heimlichen Held. In Italien sind die Geldbußen im Vergleich zu Deutschland vergleichsweise hoch.[2] An Italiens Straßen stehen etwa doppelt so viele stationäre Messanlagen (mehr als 11 100) als in Deutschland. In Italien ist als Folge der serienmäßigen Sachbeschädigungen sogar eine Diskussion über den Sinn von Geschwindigkeitsbegrenzungen entstanden. Dort steht auf derartige Straftaten eine Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren Gefängnis. Die Straftat lautet "Beschädigung einer staatlichen Informatik-Anlage".

 

Vandalismus an Messanlagen in Deutschland

Auch in Deutschland wird immer wieder von Vandalismus bei Messanlagen zur Geschwindigkeitsüberwachung berichtet.[3] Neben Sachbeschädigungen mit Spraydosen und Spitzhacken wurde sogar vom Einsatz von Schusswaffen[4]  und Sprengen[5] von Blitzgeräten berichtet.

 Die Schadenshöhe derartiger krimineller Handlungen ist meist erheblich, da der Wert derartiger Messanlagen schnell 200.000 EUR übersteigt. Hierzulande hat es ebenfalls bereits Verurteilungen für vergleichbare Straftaten gegeben, ohne dass es hierzulande eine vergleichbare Serie gegeben hat.

 

Einschlägige Straftatbestände

Das OLG Braunschweig[6] stellte hierzu fest, dass ein Inbrandsetzen einer Geschwindigkeitsmessanlage „nur“ eine einfache Sachbeschädigung nach § 303 StGB darstelle. Der Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB war nicht erfüllt, da eine Geschwindigkeitsmessanlage keine technische Einrichtung und mit einer solchen Handlung keine Gemeingefährlichkeit verbunden sei. Auch eine Verurteilung zum qualifizierten Fall einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung (§ 304 StGB) konnte nach Auffassung des OLG nicht erfolgen, weil eine Geschwindigkeitsmessanlage kein Gegenstand ist, der zum öffentlichen Nutzen aufgestellt sei. Hierunter sollen nur solche Gegenstände fallen, bei denen anzunehmen ist, dass jedermann aus ihrem Vorhandensein oder ihrem Gebrauch einen unmittelbaren Nutzen ziehen kann. Dies sei bei Geschwindigkeitsmessanlagen nicht gegeben. Der BGH[7] befasste sich damit, ob überdies eine Strafbarkeit gem. § 316b I Nr. 3 StGB in Betracht kommt. Dies bejahrte das Gericht, so sei eine Geschwindigkeitsmessanlage eine eigenständige, der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienende Anlage. Danach macht sich strafbar, wer den Betrieb einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage dadurch verhindert oder stört, dass er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht.

Oftmals sind die Täter kurz zuvor von der stationären Messanlage geblitzt worden. Diesbezüglich hatte das Oberlandesgericht Braunschweig den Tatbestand der versuchten Unterdrückung technischer Aufzeichnungen (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, Abs. 2 StGB) geprüft, aber letztlich verneint. Die Vereitelung des staatlichen Bußgeldanspruchs sei kein Nachteil i.S. d. dieser Vorschrift.[8] Damit besteht bei derartigen Delikten eine Straferwartung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

 

Werden Strafverfahren gegen Sie eingeleitet, so sollte unbedingt die Hilfe eines verkehrsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden.


 
[1] https://www.n-tv.de/panorama/Italiener-feiern-Fleximan-den-Raecher-der-Raser-article24741535.html vom 15.2.24.
[2] Fromm, SVR 2023, 447 ff.
[3] „Vandalismus im Straßenverkehr - Wenn der Ärger über den Blitzer eskaliert“ v. 05.04.2021
 https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_89781248/vandalismus-wenn-der-aerger-ueber-den-blitzer-eskaliert.html
[4] „Jäger aus Hennef schießt einen Starenkasten kaputt.“ 24.02.2004
https://ga.de/region/jaeger-aus-hennef-schiesst-einen-starenkasten-kaputt_aid-40069323
[5] „Unbekannte sprengen Blitzer - Diese Strafen drohen den Tätern“ v. 20.22.23, https://www.focus.de/wissen/blitzer-gesprengt-unbekannte-sprengen-blitzer-diese-strafen-drohen-den-taetern_id_249433825.html
[6] Urt. v. 18.10.2013 – 1 Ss 6/13, BeckRS 2014, 1103.
[7] NJW 2021, 3266; a.A.: OLG Stuttgart NStZ 1997, 342.
[8] BGH StraFo 2011, 23.

Die Ausführungen stellen erste Informationen dar, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung aktuell waren. Die Rechtslage kann sich seitdem geändert haben. Zudem können die Ausführungen eine individuelle Beratung zu einem konkreten Sachverhalt nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie dazu Kontakt mit uns auf.


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